Biodiversität und das Nagoya-Protokoll
Forschung mit genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen
Allgemeine Informationen zum Nagoya-Protokoll
Was ist das Nagoya-Protokoll?
In Konkretisierung der Vorgaben der völkerrechtlichen Biodiversitätskonvention von 1993 (Convention on Biological Diversity, CBD) regelt das Nagoya-Protokoll den Zugang zu genetischen Ressourcen und darauf bezogenes traditionelles Wissen sowie die gerechte Verteilung der sich aus deren Nutzung ergebenden Vorteile, sog. „Access and Benefit-Sharing“ System („ABS“).
Eine genetische Ressource ist definiert als genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert, d.h. jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten, d.h. Gene enthält, ausgenommen humangenetische Ressourcen. Nach Maßgabe der CBD und des Nagoya-Protokolls ist diesen Materialien gleichgestellt das traditionelle Wissen über die genetischen Ressourcen (bzw. indigenes Wissen der lokalen Bevölkerung).
Die internationale Konvention über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD bzw. Biodiversitätskonvention) ist seit 1993 in Kraft und bezweckt neben dem Schutz und einer nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt insbesondere einen fairen und gerechten Ausgleich der Vorteile, die aus der Nutzung genetischer Ressourcen im Sinne der Konvention erwachsen, sog. „Access and Benefit Sharing” / “ABS-System”. Ausgehend von dem Prinzip in der Biodiversitätskonvention, wonach jeder Staat hoheitsrechtlich den Zugang und die Nutzung zu eigenen genetischen Ressourcen selbst regelt, können die Staaten spezifische Regelungen zum Zugang zu ihren genetischen Ressourcen und deren Nutzung vorsehen, sowie besondere Vorgaben für einen gerechten Vorteilsausgleich in den jeweiligen Verträgen fordern. Ist das Bereitstellerland Vertragsstaat der CBD (und des Nagoya-Protokolls), kann es nach Maßgabe des Nagoya-Protokolls den Zugang zu seiner Ressource von der Zustimmung der national zuständigen Behörde abhängig machen (sog. Prior Informed Consent, PIC), sowie den Zugang und die Nutzung der Ressource von einvernehmlich vereinbarten Bedingungen abhängig machen (sog. Mutually Agreed Terms, MAT), in welchen gleichfalls der Anspruch des Bereitstellerlandes auf einen gerechten Vorteilsausgleich aus der Nutzung berücksichtigt werden muss. Mit dem Nagoya-Protokoll (in Kraft seit 2014) haben die Vertragsstaaten in Umsetzung der Biodiversitätskonvention genauere Regelungen zum ABS-System vereinbart und sich insbesondere dazu verpflichtet, die Bereitstellerstaaten bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen.
Verpflichtungen für Forschende und Hochschulen
Wann ist das Nagoya-Protokoll relevant bzw. welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Pflichten für mich und die Universität greifen?
Hierbei sind grundsätzlich zwei Varianten zu unterscheiden: a) es gilt nur die Vorgaben des Nagoya-Protokolls zu beachten, oder b) es gelten zusätzlich die Anforderungen nach beiden EU-Verordnungen. Für beide Fälle gilt zunächst, dass Sie prüfen müssen, ob das Bereitstellerland Nagoya-Vertragsstaat ist und inwieweit das Bereitstellerland tatsächlich eigene ABS-Regelungen erlassen hat (vgl. hierzu: das ABS Clearing House). Bereits auf dieser Grundlage sind für Ihre Forschung und die Nutzung genetischer Ressourcen zwingend die entsprechenden Vorgaben des Bereitstellerlandes zu beachten, wozu besondere behördliche Genehmigungen der dort zuständigen Behörden sowie spezifische vertragliche Regelungen erforderlich sein können. Sind zusätzlich die Voraussetzungen der EU-Verordnungen erfüllt, müssen Sie zwingend bestimmte Sorgfaltserklärungen verschriftlichen sowie den Nagoya bezogenen Prüfprozess inklusive aller erforderlichen vertraglichen Schritte beachten und für die Dauer von 20 Jahren dokumentieren bzw. archivieren (Siehe hierzu: Compliance: EU ABS-Verordnung)
Die Pflichten gelten zunächst für die betreffenden Forschenden, die genetische Ressourcen im Sinne der Regelwerke nutzen, d.h. die Pflichten adressieren direkt die Forschenden. Nichtbeachtung der Vorgaben kann empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. Darüber hinaus gelten die Pflichten nach dem Nagoya-Protokoll und den EU-Regelwerken auch für die Heimateinrichtungen der betreffenden Forscher, d.h. gleichfalls für die Universität als juristischer Person, wobei diese Pflichten im Sinne einer Organisationsverantwortung ausgestaltet sind: Die Hochschulleitung hat im erforderlichen Maße unterstützenden Service als Beratung vorzuhalten, um die Forschenden in die Lage zu versetzen, die entsprechenden Pflichten bestmöglich einhalten zu können. Insbesondere zu diesem Zweck stellt die Universität über die Abteilung Forschung und Transfer die allgemeine E-Mail-Adresse sowie ein Ticket-System zur Erfassung der Nagoya-Vorgänge unterstützenden Service bereit.
Zur Erfassung Ihrer Nagoya-relevanten Forschungstätigkeit nutzen Sie bitte die allgemeine E-Mail-Adresse und das Ticket-System. Nach der Auswertung Ihrer Angaben im Ticket-System setzt sich die Abteilung Forschung und Transfer zeitnah mit Ihnen in Verbindung.
Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Nagoya-Protokoll:
Nutzer genetischer Ressourcen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 511/2014 unterliegen Sorgfalts-, Erklärungs- und Mitwirkungspflichten. Ihre Umsetzung beruft auf drei Ebenen:Prior Informed Consent (PIC)
Die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung der zuständigen Behörde des Bereitstellerstaates zu einem Forschungsprojekt (sofern das betreffende nationale Recht dies vorsieht).
- "Mutally Agreed Terms" oder MAT is die Aushandlung einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Nutzer und Bereitsteller unter Berücksichtigung des Access and Benefit-Sharing Systems des Nagoya-Protokolls und ggf. weiterer Auflagen.
- Das "Internationally Recognized Certificate of Compliance" (IRCC) ist die vom Bereitstellerland veröffentlichte Genehmigung des Zugangs und der Nutzung genetischer Ressourcen entsprechend der ABS-Vorgaben.
In Umsetzung des Nagoya-Protokolls adressieren die EU Verordnungen primär die Pflichten im Zusammenhang mit der Nutzung genetischer Ressourcen innerhalb der EU, flankiert von besonderen Sorgfalts- und Dokumentationspflichten für die Dauer von 20 Jahren. Die EU-Vorgaben greifen allerdings nur, sofern die folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
- a) Zugang zu genetischer Ressource aus dem Hoheitsgebiet eines Nagoya-Vertragsstaates, welcher eigene Zugangsvorschriften erlassen hat,
- b) wobei der Zugang zu der Ressource ab dem 12. Oktober 2014 erfolgt ist,
- c) es handelt sich um genetische Ressourcen oder darauf bezogenes traditionelles Wissen im Sinne der Regelwerke, die durch eine natürliche oder juristische Person genutzt werden im Rahmen einer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit betreffend deren genetische und/oder biochemische Zusammensetzung, und
- d) die Nutzung (nicht der Zugang!) innerhalb der EU erfolgt.
Sind diese Voraussetzungen kumulativ gegeben, müssen die Forscher nicht nur die zugangsbezogenen ABS-Regeln des Nagoya-Protokolls umsetzen (PIC, MAT etc.), sondern zusätzlich nach den EU-Vorgaben Sorgfaltserklärungen gegenüber zuständigen Stellen abgeben und die Dokumentation des eigenen Nagoya Prüfverfahrens für die Dauer von 20 Jahren nach Abschluss des Forschungsprojekts dokumentieren bzw. archivieren. In Deutschland ist das Bundesamt für Naturschutz (BfN) als zuständige Prüfbehörde berufen, insbesondere zur Überprüfung der Einhaltung vorgenannter Dokumentationspflichten.
Hinweise für die Projektplanung
Weitere Informationen und Unterstützungsangebote:
German Nagoya Protocol HuB
Die Checkliste „Build your ABS Strategy“ soll akademischen Forschenden in Deutschland helfen, die neu im Bereich Access and Benefit-Sharing (ABS) sind. Sie zeigt einige der wichtigsten Dinge auf, die Forschende bei der Vorbereitung auf den Prozess beachten müssen und besteht aus vier Abschnitten:
Das ABS Clearing House ist eine Informationsplattform, die Forschenden helfen soll, Informationen zu finden, wie sie legal Zugang zu Forschungsmaterial (und dazugehörigem traditionellen Wissen) erhalten können. Weitere Informationen sind u.a.:
- Länder Profile und Vertragsparteistatus
- Competent National Authority
- Nationale Zugangs- und Vorteilsausgleichsmaßnahmen (Gesetze, Verordnungen, Richtlinien)
- International anerkanntes Zertifikat (IRCC)
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist die zuständige nationale Behörde zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls und der EU-Verordnung Nr. 511/2014 und ist damit auch Ansprechpartner*innen und Beratungsstelle für alle Nutzer*innen sowie Sammlungen in Deutschland.
Hinweise der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Nagoya-Protokoll
- Vgl. hierzu: DFG: Nagoya-Erläuterungen für Forschende
- Vgl. hierzu: DFG Mustervertragsklauseln für sog. "Mutually Agreed Terms" (MAT)